Mutters Vorweihnachtserlebnis

Sohn sitzt im Sessel und lacht „was war mit unserer Nachbarin? Komm erzähl mal.“ Sohn war gerade duschen und hatte leider alles verpasst.

Tja das mit der Nachbarin war so.

Ich stehe im Wohnzimmer und wärme mich am Ofen. Höre dann noch, wie im Esszimmer die Fenstertür geöffnet wird (ist eigentlich ein Nebeneingang, den in der Regel nur wir benutzen). Und ich denk noch so „ach, mein Mann macht draußen Feierabend und kommt jetzt ins Haus.“

Doch Sekunden später stiefelt die Nachbarin um die Ecke in den Raum. Sie lebt auf einem Bauernhof in Sichtweite von unserem Haus.

Die Nachbarin ist dement und büchst schon mal aus, aber hier in unserem  Wohnzimmer stand sie noch nie. Sie ist einfach durch den Seiteneingang rein, hat sich am Tannenbaum vorbei,  durch die Küche bis ins Wohnzimmer ihren Weg gebahnt.

Sie war ganz aufgelöst und wollte weg von hier und zurück in ihre Heimat, eine Heimat wie sie in ihrer Jugend existierte. Interessanterweise war ich zwar überrumpelt aber trotzdem ganz ruhig.  Ich bot ihr Platz auf unserer Couch, brachte ihr ein Glas Wasser und fragte sie nach ihrer Heimat. Sie erzählte ein wenig und hatte sich schnell wieder gefasst.

Ich schlug ihr vor, sie nach Hause zu bringen, da ihre Familie sie sicher schon vermisste. Sie stimmte bereitwillig zu, fragte aber noch kurz, ob sie nicht vielleich doch auf unserer Couch schlafen könne… Das hatten wir dann aber schnell geklärt und ich brachte sie zurück zum Hof.

Diese Frau hat einen Krieg miterlebt, zwei Kinder großgezogen. Eine Krebserkrankung überlebt und ihr Leben lang körperlich schwer gearbeitet und mit Sicherheit noch viele weitere Höhen und Tiefen erlebt.

Es war das Mindeste, ein wenig Zeit für sie zu erübrigen, zuzuhören, ihr wieder ein gutes Gefühl zu geben und sie dann zurück nach Hause zu begleiten. Respekt und Wertschätzung für einen Menschen und seine Geschichte, eine Geschichte die das Leben schreibt – für jede/-n von uns und mit einem offenen Ende.

„Mutter“, sagt Sohn zu mir, „unsere Nachbarin hat sich wohl ihre Schuhe an unserer Weihnachtsdecke unterm Tannenbaum abgetreten, als sie reingekommen ist. Die ist ganz dreckig an der einen Ecke….“ Und dann haben wir beide ein wenig gelacht über diese besondere Vorweihnachtsgeschichte.

Eine schöne Zeit wünsche ich euch. Bis bald. Mirjam

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